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Veröffentlicht am: 13.05.2021 um 11:19 Uhr
Anten statt Alsterchaussee
Marathon in Corona-Zeiten: Eine Bergerin läuft gegen sich selbst – und gewinnt
von Jürgen Ackmann
Berge. Sie hat es getan: Ursprünglich wollte Anita Bornhorst-Jäger aus Berge am Hamburg-Marathon teilnehmen. Ging nicht. Wegen Corona. War das harte Training umsonst? Nein. Sie lief trotzdem ihren Marathon. Durch den Osnabrücker Nordkreis.
Es war alles perfekt vorbereitet. Die Strecke hatte sie zuvor genau ausgetüftelt. 42,195 Kilometer über Hekese, Kettenkamp, Nortrup, Badbergen, Klein Mimmelage, Renslage, Hahlen und zurück in den Berger Ortsteil Anten an der Rohdenteichstraße, dort, wo Anita Bornhorst-Jäger wohnt.
Auch Streckenposten hatte sie für den Marathon-Einsatz engagiert – unter anderen ihre Kinder Bennet, Luis und Mira. Alle fünf Kilometer eine Banane und reichlich Wasser. So der Plan. Und um wirklich nichts dem Zufall zu überlassen, fragte die Läuferin Schwanke Brands-Heidgerd von der Landpraxis in Berge, ob sie sicherheitshalber im Hintergrund parat stehen könne. Machte sie gerne.
Hilfe von den „Kreuzbergbezwingern“
Um nach dem Start richtig in Schwung zu kommen, verpflichtete sie ihren Mann Christian Jäger für einige Kilometer zum Mitlaufen. Für den letzten Streckenteil wiederum gewann sie ihre Freundin Birgit Wolke als Motivationshilfe.
Sie ist ebenso wie Anita Bornhorst-Jäger Mitglied im Berger Lauftreff „Die Kreuzbergbezwinger“. Der Name leitet sich vom 90 Meter hohen Kreuzberg im Börsteler Wald ab. Den bezwingen die Hobbyläufer unter nicht unerheblichen Strapazen immer wieder mal – ebenso wie die Teilnehmer des Sparkassencups. „Es geht immer nur hoch. Das ist grausam“, erzählt die 45-jährige Bergerin. Aber ein erstklassiges Training für höhere Laufweihen.
Hier hat sich Anita Bornhorst-Jäger in der Vergangenheit schon einige Meriten erworben. Sie nimmt regelmäßig an den Läufen für den Sparkassen-Cup teil, hat einen Triathlon auf Norderney absolviert und zudem den Halb-Marathon in Löningen.
Mit der Familie gesprochen
Nun also sollte es der große Marathon sein. Der mit den 42,195 Kilometern. Eine Frage des Ehrgeizes und des Wollens. Die Trainingsvorbereitung dafür würden sehr aufwendig und zeitintensiv sein und auch zu Lasten des Familienlebens gehen. Das war der 45-Jährigen klar. Deshalb sprach sie im Sommer 2019 zuerst mit ihrem Mann und den Kindern über ihr Vorhaben. Die waren einverstanden und sahen fortan, wie sich Anita Bornhorst-Jäger in eine künftige Marathonläuferin verwandelte.
Fortan drehte sich vieles um das Laufen und damit auch um Kohlehydrat-Depots, Fettstoffwechsel und Pulsfrequenz. Eine Wissenschaft für sich, doch für einen Marathonläufer elementares Wissen, um das Ziel zu erreichen. So gerüstet ging Anita Bornhorst-Jäger zunächst drei bis vier Mal die Woche auf Strecke. Mal waren es kürzere Läufe, mal längere. Mal in Berges Umgebung, mal in Bersenbrück. Ein bisschen Abwechslung musste sein.
Zwölf Wochen vor dem geplanten Marathonlauf folgte dann noch einmal ein „strammes Programm“, so Anita Bornhorst-Jäger. Zehn Wochen lang. Beim Ausarbeiten dieser finalen Trainingseinheit half ihr Achim Wolke, der oberste „Kreuzbergbezwinger“. Dann folgten zwei Wochen, in denen es die 45-Jährige entspannter angehen ließ und Kräfte sammelte.
Um 10 Uhr morgens ging es dann los. Der Körper hatte alles gelernt, was er für einen Marathon braucht. Damit einher ging für Anita Bornhorst-Jäger die Erkenntnis: „Der Kopf ist wichtiger als die Muskulatur.“ Kontrolle, Disziplin, Wille. Kilometer um Kilometer spulte Anita Bornhorst-Jäger ihr Laufpensum ab. Unterstützt von Freunden, Arbeitskollegen und Nachbarn, die hier und da am Streckenrand auftauchten. Da waren dann auf Pappschildern am Straßenrand schon mal Sätze wie „Vollgas – Viel Erfolg wünschen die Sekt-Tussies“ zu sehen.
Unter fünf Stunden wollte Anita Bornhorst-Jäger bleiben. Nach vier Stunden und 55 Minuten war sie wieder in Anten an der Rohdenteichstraße. Lief durch ein Zielband, begleitet von der Musik des Berlin-Marathons. Obendrein gab es eine Medaille vom Lauftreff: „1. Berger Marathon“ stand drauf. Die 42,195 Kilometer waren geschafft, und das in Corona-Zeiten, ohne großes Publikum, ohne den motivierenden Flair der Laufereignisse in Hamburg oder Berlin. Was für eine Freude, was für ein gutes Gefühl.
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